IIIF als neues Arbeitsinstrument für Forschende.
Am 28. und 29. Juni 2018 fand in der UB Basel eine Ausgabe der IT-internen Weiterbildungsreihe «IT Innovation Lab» statt, wobei der erste Tag verschiedenen Vorträgen und Diskussionen gewidmet war und der zweite Tag Gelegenheit für einen spontanen Hackathon bot. Was bei der Planung noch im Kleinen begann, endete schlussendlich in einer Versammlung hochkarätiger Experten. Thematisch widmeten wir uns dem International Image Interoperability Framework (kurz: IIIF, ausgesprochen «Triple-Ei-F»). IIIF definiert als Standard Programmierschnittstellen, die es erlauben, Digitalisate auf unkomplizierte Art und Weise zu nutzen, zu vergleichen, zu annotieren und zu teilen. IIIF hebt also die sogenannten «Datensilos» auf, wo die Daten nur an einem Ort lagern und auch nur dort (begrenzt) nutzbar und zugänglich sind. Das erlaubt spannende Anwendungsszenarien wie bspw. eine virtuelle Arbeitsoberfläche für Forschende, in denen Digitalisate einer Handschrift in verschiedenen Fassungen aus weltweit verteilten Quellen in einem Tool zusammengeführt, verglichen und annotiert werden können, wie sie für die Handschriften auf der Plattform e-codices bereits heute angeboten wird. Für technisch versiertere Nutzende bietet IIIF die Möglichkeit, ein und dasselbe Digitalisat in variierenden Auflösungen und Qualitätsgraden an verschiedenen Orten zu nutzen – ganz einfach durch eine Anpassung der URL und ohne unzählige verschiedene Bildversionen erstellen und pflegen zu müssen. Eine gute, technisch nicht allzu tief gehende Einführung in IIIF findet sich hier oder eine etwas technik-lastigere Konferenz-Präsentation auf Youtube.

Wir starteten mit Julien Raemy (HEG Genève) in eine Einführung in das IIIF-Ökosystem. Was ist IIIF überhaupt? Was ist der Nutzen? Wie gross ist die Community bereits und wie gross die Landscape (Software, Experten)? Spannend ist die Offenheit und Lebendigkeit der Community. Lokale Engagements, Github-Dokumentationen und Tool-Hacks sorgen für eine grosse Dynamik. Abschliessend stellte uns Julien das Projekt TICKS (Towards IIIF-Compliance Knowledge in Switzerland) vor.
Um auf dem aktuellsten Stand zu sein berichteten im Anschluss Julien Raemy und Leander Seige (UB Leipzig) von der jüngsten IIIF-Conference aus Washington, DC vom 21. bis 25. Mai. Sie schilderten uns die neusten Entwicklungen zu IIIF für 3D-Objekte, Handschriften, audiovisuelle Medien, Newspapers und in der Software-Entwicklung. Ein interessanter Anwendungsfall zeigt sich mit Machine Learning: Mittels Bilderkennung können in einem ägyptischen Hieroglyphen-Text bestimmte Zeichen gesucht und gefiltert werden. Sozusagen eine Textsuche in einer nicht-alphabetischen Schrift. Spontan zeigte uns dann ein Tagungsteilnehmer, Christoph Böhm von outermedia Berlin, seinen Ansatz eines Metakatalogs mit einer Integration eines Viewers für die Digitalisate mit IIIF, nicht nur von Bildern, sondern bald auch von Videos und Audios.
Internationaler Austausch
Nach dem eher allgemeinen Teil des Anlasses legten wir den Schwerpunkt auf die mittelalterlichen und neuzeitlichen Handschriften. Aufgrund eines glücklichen Zufalls erhielten wir Besuch von einer Gruppe rund um Ueli Zahnd (Professor an der Universität Basel) und Jeffrey Witt (Assistenzprofessor an der Loyola University Maryland), die in derselben Woche ein Meeting der Scholastic Commentaries and Texts Archive (SCTA) in Basel hatten. Leander Seige stellte das Projekt «Handschriften-Portal» (der baldige Nachfolger von Manuscripta Mediaevalia) vor, dessen Entwicklung im kommenden Herbst startet. Aufgeworfen und rege diskutiert wurde vor allem die Frage der Erfassung und Kompatibilität von Metadaten. Aus Sicht der Forschung interessiert vor allem der Inhalt und die Metadaten werden eher extern gesucht und nicht im Digitalisat-Viewer selbst. Dabei muss aber auch klar werden, welche der Quellen (Viewer, Katalog, weiteres …) als «Daten-Autorität» zu betrachten ist, also welche Metadatenquelle, auch für Normdaten, letztlich vertrauenswürdig ist. Zu dem Anlass führte Jeffrey Witt in das Scholastic Commentaries and Texts Archive ein und demonstrierte die Stärke der Verknüpfung von Transkription und Bild mittels IIIF und wie die Einbindung von Annotationen und editorischen Hinweisen aus aller Welt (mit Verantwortungsangabe) zusätzliche Informationen für Forschende bieten könnten und vor allem die Nachnutzbarkeit der Information für künftige Forschungsprojekte gewährleisten.
Zum Abschluss griffen wir die die Themen der Vorträge in einer Round Table Discussion auf. Ein wichtige Frage von Seiten der Forschenden war, welche praktischen Hürden es auf Seiten der Bibliotheken gibt und wieso IIIF nur langsam Fuss fasst. Zusammenfassend ist nicht nur die Ressourcenknappheit ein Thema, sondern auch die teilweise fehlende Sichtbarkeit des konkreten Nutzens. Diese Diskussion zeigte aber, dass auf Seiten der Forschung ein grosser Bedarf nach solchen Instrumenten vorhanden ist.
beat.mattmann@unibas.ch
2 Antworten auf “Vom neuen Umgang mit Digitalisaten”