Workshop «Materialuntersuchung mit RT-Imaging» im Rahmen des Kongresses «Past and Future. Medieval Studies Today» in Kooperation mit dem Digital Humanities Lab der Universität Basel und Truvi.
Im Rahmen des an der Universität Basel stattfindenden Mittelalterkongresses der Fédération Internationale des Instituts d’Études Médiévales (FIDEM) hat die Universitätsbibliothek Basel in Kooperation mit dem Digital Humanities Lab der Universität Basel und dessen Ausgründung Truvis einen Atelier-Workshop zu «Reflectance Transformation Imaging» (RTI) veranstaltet. Initiiert von Prof. Dr. Maarten Hoenen, Professor für Philosophie an der Universität Basel, haben Dr. Peter Fornaro, stv. Leiter des Digital Humanities Labs der Universität Basel und Dr. Elias Kreyenbühl, Leiter der Digitalisierung an der Universitätsbibliothek Basel die Methode des RT-Imaging vorgestellt. Gemeinsam mit Francesco Carmenati, Leiter der Bestandserhaltung der UB Basel und den Workshop-Teilnehmenden wurde RTI für seine Anwendung an Bibliotheksgut getestet und Versuchsaufnahmen an Objekten der Universitätsbibliothek durchgeführt. In interdisziplinärer Runde konnte über die Ergebnisse, Möglichkeiten und Grenzen der Methode diskutiert werden (Abb. 1).

Was ist RTI?
RTI ist eine Form der Objektdokumentation, die über eine normale fotografische Aufnahme hinausgeht. Denn mittels RTI wird nicht nur eine Aufnahme gemacht, sondern gleich 48 Aufnahmen in unterschiedlichen Beleuchtungssituationen. Als Hardware wird für die Aufnahme ausser einer Kamera auch eine Kuppel mit eingebauten Lichtblitzen, der sog. «Lightdome», benötigt, die das Objekt während der Aufnahme von unterschiedlichen Seiten anstrahlen. Die Kuppel wird über dem Objekt positioniert, das untersucht werden soll und die Aufnahme wird durchgeführt (Abb 2.).

Anschliessend werden die Einzelbilddateien mit einer Software verrechnet und können dann über einen von Truvis entwickelten Viewer im Browser betrachtet werden. Dabei ermöglicht RTI eine umfassende Materialuntersuchung durch nachträgliche Auswahl bzw. Veränderung der Beleuchtung. RTI gibt Materialoberflächen als digitale Landschaften wieder, die dann erkundet werden können. Es scheint, als stünde man über einem Objekt und würde es von verschiedensten Seiten mit einer Taschenlampe anstrahlen (Abb 3.). RTI ist damit eine Form der Objektdokumentation, geht aber über die Möglichkeiten einer gewöhnlichen Auflicht- oder Streiflichtaufnahme hinaus.
RTI in der Geistes- und Restaurierungswissenschaft.
Für Forschung, die sich mit der textlichen Ebene eines historischen Buches befasst, ist RTI vor allem dann interessant, wenn mittels Veränderungen, die im RTI-Viewer vorgenommen werden können, Schrift hervorgehoben kann und materielle Aspekte in den Hintergrund treten können. Auch für kodikologische Fragestellungen, die eine Texterforschung unterstützen, kann RTI zum Einsatz kommen. So könnte mittels RTI der Schriftduktus eines Schreibers genauer untersucht oder durch Einkerbungen in der Materialoberfläche auf das Schreibgerät geschlossen werden.
Für die Arbeit in der restaurierungswissenschaftlichen Untersuchung ist die Anwendung offensichtlich. Gerade in der Bilddokumentation von Zuständen vor, während oder nach einer Restaurierung kann RTI ganz klar eine grosse Hilfe sein. Anstelle vieler Vorzustandsaufnahmen, die Kulturgut vor einer Restaurierung dokumentieren, wird mittels RTI eine Datei erstellt, die alle möglichen Beleuchtungssituationen des Vorzustands beinhaltet. Dadurch müssen sich RestauratorInnen nicht vor einer Bearbeitung überlegen, in welchen Lichtsituationen das Objekt dokumentiert werden muss, um alle Beschädigungen optimal festzuhalten. Darüber hinaus ist es mittels RTI auch möglich, glänzende Oberflächen abzubilden. Vergoldete Initialen sind dadurch nicht länger als schwarzgraue, matte Flächen auf der Abbildung zu sehen, sondern mittels RTI als erhaben auf dem Beschreibstoff aufliegende, strahlende glänzende Flächen wahrnehmbar (vgl. Abb. 3)!

Durch die Beleuchtungsvielfalt ermöglichen RTI-Dateien eine intensive Untersuchung einer Materialoberfläche und erleichtern damit das Aufspüren von Schadensbildern oder das Differenzieren zwischen Schadensbild, Herstellungsmerkmal oder Bearbeitungsspuren – beispielsweise wird die Unterscheidung zwischen einem Kratzer und einer Bearbeitungsspur durch ein Schreibwerkzeug erleichtert. Durch eine Aufnahme vor, während und nach einer Bearbeitung besteht ausserdem die Möglichkeit einer hochauflösenden «fotografischen Qualitätskontrolle». RTI ermöglicht es Bild-Dokumentationen schnell und gleichzeitig mit hohem Informationsgehalt anzufertigen.
Neben den Lichtblitzen im sichtbaren Licht können mit der von Truvis entwickelten Hardware auch IR- und UV-Aufnahmen gemacht werden.
Und nun?
Der Workshop hat die Teilnehmenden über den Tellerrand der eigenen Profession schauen lassen und geholfen zu erkennen wo die Möglichkeiten und Grenzen der Methode liegen. In der Bestandserhaltung kann RTI-Imaging in Zukunft möglicherweise zu genauen Dokumentation in der Restaurierung eingesetzt werden.
Links:
lisa.dittmann@unibas.ch
Archäologische Aufnahmen mit derselben Ausrüstung in Petra, Jordanien:
https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Wenn-Archaeologie-auf-Hightech-trifft.html
M. Schwendener