Am vergangenen Donnerstag, dem 29.11.2018, fand der weltweite Digital Preservation Day (#WDPD2018) statt. Ziel dieser Tradition ist die Schaffung von mehr Sensibilität und Bewusstsein für die Fragestellungen und Probleme, die die Digitalisierung der Gesellschaft und die Frage nach der Bewahrung unseres Wissens mit sich bringt. Ausgerufen wird er alljährlich von der Digital Preservation Coalition. Dieser Blogbeitrag soll einen Einblick über die gelaufenen Events, Beiträge und Diskussionen geben, der Autor hat selbst rege getwittert und auch auf dem UB-Blog einen Beitrag zum Thema veröffentlicht.

Events auf der ganzen Welt
Viele Institutionen haben zum Anlass dieses Tages spezielle Events durchgeführt (National Library of Mexico, ERT Serres Radio Greece, University of Virginia, Australian Institute of Aboriginal and Torres Strait Islander Studies, National Library of Ireland, Amsterdam Museum – um nur einige zu nennen). Inhaltlich reichten die Events von Führungen über Workshops und Seminare bis hin zu Ausstellungen und Informationsständen. Die Bodleian Libraries in Oxford haben es sich sogar nicht nehmen lassen, auf einem Grossbildschirm Nostalgie mit Pong zu wecken.
Im Amsterdam Museum wurden im Rahmen einer internationalen Tagung des Dutch Digital Heritage Networks die Digital Preservation Awards verliehen. Diese gehen alljährlich an Personen und Projekte, die einen signifikanten und innovativen Beitrag zur Bewahrung des digitalen Kulturerbes geleistet haben. So hat beispielsweise Anna Oates von der University of Illinois at Urbana-Champaign in einer umfangreichen Studienarbeit die langfristige Stabilität des Dateiformats PDF/A untersucht, dem heutzutage verbreitetsten Dateiformat für alle «Bürodateien» (Word, Excel, PowerPoint …). Ein sehr innovativer Preisträger ist auch ePADD von der Stanford University, eine Plattform zur Übernahme und Durchsuchbarmachung von E-Mail-Archiven (inklusive Rechtsprüfung und Inhaltsanalyse mit Machine Learning und Natural Language Processing).
Twitter-Community
Sehr schön waren auch die vielen Tweets mit Impressionen (#WDPD2018), die nicht wenige Erinnerungen weckten:
Besonders passend war der tagesaktuelle «Verkaufsthread» von Benj Edwards, der seine Garage ausgeräumt hat und unzählige alte, noch lauffähige Computer verkaufte (leider bereits alles weg):
Blog-Beiträge
Neben unserem eigenen Beitrag hat auch die ETH-Bibliothek in Zürich auf ihrem Blog zum Thema publiziert. Viel mehr Beiträge schienen aus der Schweiz leider nicht zu kommen – zumindest las man nichts dazu auf Twitter oder dem Portal der Digital Preservation Coalition. Dafür gab es viele spannende und amüsante Beiträge aus dem Ausland, gerichtet an verschiedenste Zielgruppen. So hat die TIB Hannover beispielweise einen Travel Guide to Digital Preservation Island gezeichnet.
Wer keinen eigenen oder institutionellen Blog hatte (oder grössere Reichweite suchte), konnte seinen Beitrag vorab der Digital Preservation Coalition zusenden, die ihn dann am WDPD auf ihrem Blog Roll publizierte. So kamen über die ganzen 24 Stunden weltweit mehrere dutzend Beiträge zusammen. Eine kleine Auswahl dazu (mit aufsteigendem «Nerd-Grad»):
- The supermassive black hole in the middle of our current digital preservation strategies
- Digital preservation at home……. and beyond
- Recap of Born to Be 3D Forum Hosted by the Library of Congress
- A Case Study – WhatsApp Records Capture
- Against the clock: videotape digitisation and preservation now!
- (Already) 10 years of LHC Data Preservation
- The Archivist’s Guide to KryoFlux
- Designing a Universal Virtual Interactor (UVI) for digital objects
Fazit
Abschliessend könnte man sich fragen, ob denn das Thema wirklich so drängend ist, dass dafür so ein Aufwand getrieben werden muss? Dazu zwei Beispiele:
- «97 Episoden aus den ersten sechs Staffeln von Doctor Who sind heute nicht mehr auffindbar, davon allein 79 aus den Staffeln 3 bis 5. Es war bis in die 1970er-Jahre üblich, Bänder nur einige Jahre aufzubewahren; danach wurden sie wiederverwendet und überspielt. Die erste Dalek-Episode beispielsweise ist 1978 nur durch Zufall der Vernichtung entgangen, die im Rahmen einer Routinemaßnahme der BBC durchgeführt werden sollte. […] Einige weitere Episoden oder Episodenteile wurden nach weltweiter Suche z. B. in Hongkong wiedergefunden […] Des Weiteren ist eine Anzahl Episoden aus den Anfängen der Jon-Pertwee-Ära nur in schwarz-weiß erhalten. Für einige dieser Episoden gelang es, mit Hilfe privater Mitschnitte die Farbe zu rekonstruieren. Einige der Episoden enthalten auf den Schwarz-Weiß-Filmen Farbinformationen in Form von „Chroma Dots“, die im Schwarz-Weiß-Bild als charakteristische Störungen zu sehen sind. Es wurde ein Verfahren entwickelt, das es erlaubt, aus dieser Information die Farbe zurückzugewinnen. […] Im Oktober 2013 wurden bei einem Fernsehsender in der nigerianischen Stadt Jos elf Folgen aus der fünften Staffel wiederentdeckt: der vollständige Sechsteiler The Enemy of the World sowie fünf der sechs Folgen von The Web of Fear. Neun der elf Folgen galten bis dahin als verschollen.»
Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Doctor_Who#Verschollene_Episoden - «Sir David Attenborough is appealing for help to find missing episodes of the Christmas Lectures, the first science show broadcast on national television. People are being urged to help unearth past series of the lectures from the Royal Institution (RI), described by Attenborough and other previous lecturers as “national treasures from a golden age of broadcasting”. The incomplete BBC archive of the broadcasts is being made available on the RI website for the first time, but 31 episodes broadcast between 1966 and 1973 are unaccounted for. Included in the misplaced episodes is footage of Attenborough not seen since it was first broadcast 50 years ago.»
Quelle: theguardian.com/science/2018/nov/24/david-attenborough-appeals-to-uk-public-to-help-find-lost-christmas-lectures
Diese beiden Beispiele sind lediglich zwei weithin bekannte Fälle von Datenverlust, deren Wiederherstellung Jahrzehnte später hohe Aufwände und Kosten verursachte. Mit mehr Sensibilität hätten diese durchaus vermieden werden können. Zwar sind die 1970-er Jahre schon längst vergangen, doch darf man auch heute noch im (Arbeits-)Alltag regelmässig an die Notwendigkeit der Archivierung digitaler Daten erinnern – nicht nur zur Befriedigung der nostalgischen Sehnsucht einiger Weniger, sondern vor allem zur Bewahrung unser aller kulturellen (digitalen) Erbes.
