D’Faasnacht stoot vor dr Düür!

Aus der Basler Bibliographie. Kommenden Montag, um Punkt 04.00 Uhr, wenn die Lichter der Stadt erlöschen, die kunstvoll bemalten Laternen die mittelalterlichen Strassenzüge in sanftes Licht hüllen und das Kommando „Moorgestraich, vorwärts marsch!“ erklingt, beginnt die Basler Fasnacht – im hiesigen Volksmund auch „die drey scheenschte Tääg genannt“. Über die Geschichte der Basler Fasnacht wurde schon viel Tinte vergossen – zu Recht, sind doch die Sujets der Cliquen, die Schnitzelbängge, die Fasnachtszeedel und die bemalten Laternen, aber auch die Beschränkungen und Reglemente durch die Obrigkeit, stets ein Spiegel ihrer Zeit. Einige Facetten sollten hier kurz beleuchtet werden.

Eine ernste Angelegenheit!

Für Fremde oftmals ein Schock! Die Basler Fasnacht lädt nicht jeden gleichermassen zum fröhlichen, närrischen Treiben ein. An der Basler Fasnacht wird nämlich strikt zwischen aktiven und passiven Fasnächtlern getrennt. Entgegen dem deutschen Fasching oder der Luzerner Fasnacht gilt es in Basel als verpönt, sich als passiver Fasnächtler zu verkleiden, denn dies ist, so der Brauch, den Cliquen und Guggen vorbehalten. Und dass die Basler „ihre“ Fasnacht sehr ernst nehmen, belegt bereits der frühste überlieferte Hinweis ihrer Existenz aus dem Jahre 1376, die als „Böse Fasnacht“ in die Geschichte einging.

Was war geschehen? Zwischen dem Bischof von Basel und dem Hause Habsburg schwelte bereits vor 1376 ein Konflikt um verschiedene territoriale Ansprüche, die unter anderem auch die Stadt Basel betrafen. Als der Habsburger Herzog Leopold III. neben Herrschaftsrechten zusätzlich noch die sogenannte Reichsvogtei über Basel vom Kaiser empfing, also die Blutgerichtsbarkeit in Basel ausüben konnte, sahen sich zahlreiche Basler zusehends im Würgegriff des Herzogs. Zur offenen Eskalation zwischen Baslern und Habsburgern kam es schliesslich, als Leopold just während der Fasnachtszeit auf dem Münsterplatz ein Turnier abhielt. Turniere war nicht nur exquisite Grossanlässe, sondern auch militärische Machtdemonstrationen. Wie bei Turnieren nicht unüblich, krachten auch damals in Basel Lanzensplitter, scheuende Pferde und militärisches Gerät in die Zuschauer. Dies nahmen bereits verärgerte Basler Fasnächtler zum Anlass, die Habsburger Edelleute zu attackieren. Während des Tumults wurden einige Adlige samt Knechte getötet, – während Leopold auf einem Kahn ins Kleinbasel flüchten konnte. Eine üble Demütigung für den stolzen Grafen! Die Folgen waren für Basel hart: Zwölf Rädelsführer wurden geköpft – über Basel wurde die Reichsacht verhängt. Der Streit zwischen Basel und Leopold wurde in einem Vertrag schliesslich beigelegt, der aber für Basel wenig vorteilhaft war, denn weitere Rechte gingen an die Habsburger verloren.

Turnier
Eine Turnierszene aus einem Kalenderblatt von 1480. Im Hintergrund sind zwei Narren sichtbar, welche die Ritter karikieren und mit ihren Narrenzeptern aufeinander losgehen.

Verkehrte Welt und Kritik an Politik und Obrigkeit!

Fasnacht, Fasching oder Karneval ist ein alter Brauch, der sich unter verschiedenen Namen und Ausprägungen bis in die Antike zurückverfolgen lässt. Als wiederkehrender Topos ist über die Zeit hinweg die „Verkehrte Welt“ zu nennen: Höher gestellte Personen werden nicht nur nachgeäfft, sondern die Herrscherverhältnisse umgedreht. Während der Fasnacht im Mittelalter, einer Zeit mit besonders starren Gesellschaftsnormen, wird diese Umkehrung besonders deutlich sichtbar: Exemplarisch können wir die sogenannte Eselsmesse nennen, die bereits im Frühmittelalter nachgewiesen werden kann und besonders in Frankreich bis ins 16. Jahrhundert zelebriert wurde. Dort stand die Welt buchstäblich Kopf: Es wurde ein Eselsbischof gewählt, man grunzte und feixte in Tierkostümen inmitten der Kirche während der Eselsmesse und warf beim Umzug durch die Stadt mit Fäkalien um sich. Kinder wurden als König inszeniert und Adel und Klerus verspottet. Ein Treiben, das ein vollkommen entgegengesetztes Bild eines finsteren Mittelalters vor Augen führt. Dass die Obrigkeit bis ins 20. Jahrhundert dem fasnächtlichen Treiben misstrauisch zusah, zum Teil auch eingriff, ist nicht überraschend. Auch in Basel ist die Obrigkeit und die lokale Politik immer wieder Thema. So nehmen die Fasnachtszeedel, wie von Nora Köhli in ihrem Artikel eindrücklich beschrieben, die Einwanderungspolitik zwischen 1870 und 1914 aufs Korn: „S’preusselet, s’preusselet“, so ein Zeedel. 1939, wenige Monate vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs, verlangten die Basler Behörden gar das Übermalen einer Laterne, worauf Hitler und Mussolini als tanzendes Paar abgebildet waren. Der Maler kam dieser Forderung insofern nach, als dass er die Gesichter der Diktatoren zwar übermalte, jedoch nicht mit Deckfarben. Beim Umzug am Morgenstraich strahlte das Licht der Laterne durch die Farbe hindurch und man sah die Karikaturen von Mussolini und Hitler in trauter Zweisamkeit beim Tanz trotzdem.

Morgestraich
Das magische Licht der Laternen am Morgenstraich!

Auch dieses Jahr dürfte die lokale, wie internationale Politik Anlass zu Hohn und Spott geben. Und wieder wird die Welt für drei Tage Kopf stehen, für aktive aber auch passive Fasnächtler. Denn die Fasnacht bietet auch noch heute das, was sie schon seit über 1000 Jahren ist: Ein Ventil für die Menschen, gesellschaftliche Zwänge zumindest für diese Zeit ein wenig zu vergessen!

Alles zur Basler Fasnacht gibt’s natürlich hier in der Basler Bibliographie!

noah.regenass@unibas.ch

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