Vom Camping Tent zum ScanTent. Zelte-Aufschlagen im Sonderlesesaal der UB Basel

Ein Gastbeitrag von Alina Bruderer, Charly Beck, Katharina Weinert und Sophie Lutz, verfasst als Abschluss eines Seminars an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg unter der Leitung von Pia Eckhart und Ina Serif

Im Rahmen unseres Seminars zur Transkription von Handschriften mithilfe des Programms Transkribus haben wir, Studierende der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, den Sonderlesesaal der UB Basel besucht, um die Arbeit mit einem sogenannten ScanTent kennenzulernen. Dabei wollten wir zwei Freiburger Handschriften-Digitalisate aus unserem Transkriptions-Modell mit zwei von uns selbst digitalisierten,  ähnlichen Handschriften aus Basel vergleichen. Auf persönlicher Ebene war dieser Besuch eine neue Erfahrung, da vorher niemand von uns intensiv im Sonderlesesaal gearbeitet hatte.

Einen kurzen Überblick über die Arbeit des Seminars gibt es auf dem Blog des Deutschen Historischen Instituts Paris: dhdhi.hypotheses.org/5985 und auf dem Mittelalterblog: mittelalter.hypotheses.org/22618. Dort wurde auch ein weiterer Beitrag zum Seminar veröffentlicht, in dem unsere Kommiliton*innen über die Arbeit mit Transkribus berichten: mittelalter.hypotheses.org/22600.

Welche Originale wurden verwendet?

Im Vorfeld hatten wir bereits zwei Handschriften aus dem Bestand der Universitätsbibliothek Freiburg ausgewählt, um mit Transkribus eigene HTR-Modelle (Handwritten Text Recognition) zur automatischen Texterkennung zu trainieren (Hier ein kurzer Überblick zur Funktionsweise von Transkribus: https://blog.ub.unibas.ch/2019/05/17/transkribus-kompakt-transkriptionsoberflaeche-und-sammlungsverwaltung/ und unsere Erfahrungen mit dem Program: Link zum UB Freiburg Blogbeitrag).Die erste Handschrift ist der dritte Band der Freiburger Chronik von Joseph Felizian Geissinger aus dem Jahre 1798, geschrieben in deutscher Kurrentschrift (Freiburg, UB, Hs. 497-3, http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/hs497-3).

Um das HTR-Modell zu testen, wählten wir einen Basler Codex mit ähnlicher Schrift aus: es  handelt es sich um das Gebetbuch des Fridolin Bärthlin aus dem Jahre 1770, ebenfalls in deutscher Kurrentschrift (Basel, UB, A XIII 97) https://www.e-manuscripta.ch/bau/content/titleinfo/2315793).

Abb. 1 Chronik des Joseph Geissinger, Freiburg UB, Hs. 497-3
Abb. 2 Gebetbuch des Fridolin Bärthlin, Basel UB, A XIII 97

Bei der zweiten Freiburger Handschrift handelte es sich um eine in gotischer Minuskel geschriebene Sammlung von Heiligengeschichten mit der Titelzuschreibung späterer Autoren*innen “Der Heiligen Leben”, Sommerteil (Freiburg, UB, Hs. 1500-13, http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/hs1500-13).

Die dazu passend ausgewählte Basler Handschrift mit der ebenfalls späteren Titelzuschreibung “ars moriendi” stammt vermutlich aus dem Jahr 1475 und  beschreibt die Kunst des heilsamen Sterbens, ein im Spätmittelalter weit verbreiteter Texttypus (Basel, UB, A XI 23a, https://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/ubb/A-IX-0023a.

Abb. 3 Die Freiburger Handschrift „Der Heiligen Leben“, Freiburg UB, Hs 1500-13
Abb. 4: Das Basler Äquivalent “ars moriendi”/Basel, UB, A XI 23a.

Wie funktioniert das ScanTent? 

Das ScanTent ist ein kleines Zelt, das vom Computer Vision Lab der TU Wien und der Universität Innsbruck entwickelt wurde, um die unkomplizierte und mobile Digitalisierung von Handschriften zu ermöglichen. Dabei können Scans von Dokumenten ganz praktisch mit dem eigenen Handy oder Tablet in einer möglichst idealen Fotoumgebung erstellt werden: Der schwarze Boden des Zeltes bietet einen einheitlichen Hintergrund, und integrierte LEDs sorgen für eine gleichmäßige, indirekte Beleuchtung der Handschriften. Die Fotos können in der eigenen Handygalerie gespeichert werden. Empfehlenswert ist es jedoch eine Scan-App zu nutzen. Für unsere Zwecke verwendeten wir DocScan, eine speziell für den Einsatz von ScanTent und Transkribus entwickelte App, die für Android-Nutzer kostenlos im App-Store verfügbar ist und mit deren Hilfe die Scans bei Bedarf direkt auf Transkribus hochgeladen werden können.

Abb. 5: Das ScanTent in Aktion (oben die Ablage für das Smartphone und unten die Schaumstoffkeile, auf denen die Handschriften ausgerichtet werden)
Abb. 6: Screenshot der “DocScan”-App, die zeigt, wie gescannte Bilder auf das Smartphone hochgeladen wurden.

Aber wie läuft das in der Praxis ab?

Wir erprobten die Arbeit mit dem ScanTent an den zwei oben vorgestellten Basler Handschriften. Hierbei mussten wir zunächst darauf achten, das ScanTent individuell an die jeweilige Handschrift anzupassen. Bei einem besonders kleinen Buch empfiehlt es sich beispielsweise, mehrere Schaumstoffkeile in das Zelt unter das Buch zu legen, um das Bildfeld für die Handyfotos zu optimieren. Auch die richtige Positionierung des Smartphones, um etwa nicht zu viel Licht von außen durchzulassen, erfordert etwas Übung (und auch die Toleranz des jeweiligen Sonderlesesaals). Die App bietet zwei verschiedene Arten an, ein Original zu scannen: Mit dem “Single Mode” fertigt man manuell ein Bild an, jeder Scan wird mit einem Klick ausgelöst. Beim “Series Mode” erkennt die App automatisch, wenn eine Seite umgeblättert wird, und nimmt bei Stillstand nach dem Umblättern ein Bild der Seite auf.

Allerdings lassen sich einige Handschriften nicht sehr weit oder nur schwer öffnen. In diesem Fall ist die Nutzung des Serienmodus der DocScan-App leider nicht möglich und die einzelnen Scans müssen gesondert erstellt werden. Um das Scannen zu erleichtern, können aber insbesondere bei Handschriften, die sich nur schwer öffnen lassen, sogenannte Scanfinger behilflich sein. Diese stellte uns freundlicherweise Dr. Monika Studer vom Sonderlesesaal zur Verfügung. Diese Scanfinger bestehen aus Plexiglas, sind beinahe durchsichtig und bei der Positionierung der Handschriften sehr praktisch. Der Handschriften-Text wird geschont, weil eine direkte Berührung mit den Fingern vermieden wird.

Abb. 7: Platzierung der Handschrift mithilfe des Scanfingers

Welche Schwierigkeiten und Möglichkeiten bietet das Verfahren?

Insgesamt sahen wir in dieser neuartigen Scan-Methode viel Potenzial, denn das Scan-Zelt ist einfach anwendbar und mobil. Dadurch ermöglicht es eine leichtere Erschließung handschriftlicher Texte. Die Scans selbst waren je nach Smartphone von unterschiedlicher Qualität, in unserem Praxistest aber ausreichend, um sie auf Transkribus erforschen zu können. Hier können sie vielfältig, sowohl zur inhaltlichen, wie auch zur editorischen, Bearbeitung genutzt werden. 

Preislich ist die Anschaffung eines ScanTent mit 200 € für den/die Einzelnutzer*in etwas teuer, aber für Bibliotheken scheint eine Anschaffung eigener ScanTents sowohl für  Studierende, Professoren als auch Privatpersonen sinnvoll. So können Nutzer*innen selbstständig und effektiv Scans von noch nicht digitalisierten Objekten anfertigen. Allerdings zeigt sich aktuell nicht jede Bibliothek damit einverstanden, solche Zelte aufzubauen oder zur Verfügung zu stellen. Um Berührungsängste zu vermeiden, empfiehlt es sich deshalb vor einem Einsatz des Scan-Zeltes mit der jeweiligen Institution Kontakt aufzunehmen.

Wir danken der UB Basel und Dr. Monika Studer für diese interessante Erfahrung!


Empfohlene Zitierweise: Bruderer, Alina/Beck, Charly/Weinert, Katharina/Lutz, Sophie: Vom Camping Tent zum ScanTent. Zelte-Aufschlagen im Sonderlesesaal, in: UB Basel Blog, 10.10.2019, online unter https://blog.ub.unibas.ch/?p=3357

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