In letzter Zeit hat das Open Science Team der Universitätsbibliothek Basel mehrere fachspezifische Schulungen zum Forschungsdatenmanagement in den Geistes- und Sozialwissenschaften gegeben. Dies vor dem Hintergrund, dass Forschungsförderer wie beispielsweise der Schweizerische Nationalfonds (SNF) ausdrücklich das Ziel unterstützen, dass öffentlich finanzierte Forschung so öffentlich wie möglich und kostenfrei zugänglich sein soll. Dies betrifft nicht nur die Publikation der Forschungsergebnisse (Open Access), sondern auch das Offenlegen und Nachnutzbarmachen von Forschungsdaten (Open Data). Seit Herbst 2017 verlangt der SNF bei der Projekteingabe einen sogenannten Datenmanagementplan (DMP), in dem erläutert wird, mit welchen Daten das Projekt arbeitet, wie es diese erhebt, dokumentiert, speichert und für andere zugänglich macht sowie welche rechtlichen und ethischen Fragen dabei zu beachten sind.
Im Allgemeinen werden als Forschungsdaten alle Daten bezeichnet, die während des Forschungsprozesses generiert oder genutzt werden und die notwendig sind, um die Forschungsresultate nachvollziehbar zu machen. Der SNF verzichtet explizit auf eine genauere Definition, um fachspezifische Interpretationen zu ermöglichen. Bei den Veranstaltungen des Open Science Teams kam daher immer wieder die Frage auf, was denn in den Geistes- und Sozialwissenschaften überhaupt Forschungsdaten sind:
Haben die Geistes- und Sozialwissenschaften überhaupt Forschungsdaten? Zählen bereits publizierte Druckerzeugnisse (literarische Texte, Fachliteratur, alte Druckschriften und andere Printerzeugnisse wie Märchen, populäre Zeitschriften). zu den Forschungsdaten? Was ist mit persönlichen Notizen, Feldtagebüchern, Annotationen, Skizzen, Memos, Codes, z. B. bei der Analyse von Interviews? Wie sind archivalische Quellen handzuhaben? Haben alle Fächer Forschungsdaten beziehungsweise haben gewisse Fächer (z.B. Rechtswissenschaften) keine Daten?

Nach der oben genannten allgemeinen Definition sind dies alles Forschungsdaten und sie müssen als solche auch im DMP erwähnt werden.
Vor, während und nach der Projektarbeit müssen diverse technische, rechtliche, organisatorische und infrastrukturelle Fragen zum Umgang mit diesen Daten geklärt werden: In welchen Formaten liegen die Daten vor und mit welcher Software sind diese kompatibel? Auf welcher Speicherinfrastruktur werden die Daten abgelegt, sodass die Daten gut geschützt sind und alle Projektmitarbeitenden Zugang haben? Wie ist die Datenablage strukturiert und wie werden die Daten dokumentiert? Gibt es datenschutz- oder urheberrechtliche Implikationen?
Zu klären ist auch, wie diese Daten nach Projektende abgelegt werden und ob und wie sie für eine Nachnutzung öffentlich zugänglich gemacht werden sollen. Die Veröffentlichung von Forschungsdaten bringt viele Vorteile mit sich. Sie erhöht die Sichtbarkeit der eigenen Forschung und die Transparenz der Forschungsergebnisse. Andere Forschende können die Daten zitieren oder gar wiederverwenden.
Nicht bei allen Daten, die während des Forschungsprozesses generiert und mit denen gearbeitet wird, ist eine Veröffentlichung jedoch sinnvoll oder möglich. Für eine Veröffentlichung sind insbesondere all jene Daten interessant, die einzigartig sind, Zeitgeschichte dokumentieren und nicht einfach reproduziert werden können wie beispielsweise Aufnahmen und Transkripte von Interviews mit Zeitzeug*innen. Sinnvoll ist es auch, Daten zu veröffentlichen, die eine grössere Datensammlung ergänzen. Dies können beispielsweise demographische Reihen sein oder Daten, die ein globales Phänomen im regionalen Kontext abbilden. Auch bei Daten, deren Generierung sehr teuer war, lohnt sich eine Veröffentlichung besonders, zum Beispiel bei Retrodigitalisaten von Zeitungskorpora, Briefwechseln, Fotografien oder alten Handschriften. Wichtig ist dabei, dass nicht alle Daten, die für andere Forschende interessant sind, auch veröffentlicht werden können. Ethische, datenschutz- und urheberrechtliche Aspekte müssen bei der Veröffentlichung von Forschungsdaten stets einbezogen werden. Bei archivalischen Quellen sind insbesondere urheberrechtliche und vertraglich geregelte Aspekte zu berücksichtigen. So verlangt der SNF auch nicht, dass alle Daten öffentlich zugänglich gemacht werden, sondern nur diejenigen, bei denen keine ethischen, rechtlichen oder andere Gründe dagegensprechen. Dann kann es sinnvoll sein, eine Beschreibung der Daten zu publizieren, um darauf hinzuweisen, dass diese Daten vorliegen. Daten, die bereits veröffentlicht sind, müssen auch nicht erneut publiziert werden –beispielsweise in einem Verlag veröffentlichte Gedichtsammlungen oder Digitalisate aus einer öffentlichen Bibliothek, die auf einer Online-Plattform zur Verfügung gestellt werden.

Was ist aber mit persönlichen Notizen oder Feldtagebüchern? Hier gilt der Grundsatz, dass man nach eigenem Ermessen entscheidet, ob und welche der Daten sinnvoll für eine Publikation sind. Man kann sich an folgenden Fragen orientieren: Wie wichtig sind die Daten, um die Forschungsergebnisse nachzuvollziehen? Wie gross ist der Aufwand, um die Daten für die Nachnutzung aufzubereiten – wenn es sich beispielsweise um handschriftliche Notizen handelt, die zuerst digitalisiert und allenfalls auch anonymisiert werden müssten? Wie hoch ist das Potenzial für eine Nachnutzung? Gibt es ethische und rechtliche Hindernisse? Lassen sich die Daten – beispielsweise aus Feldtagebüchern – ausreichend anonymisieren? Wie sehr greift eine Publikation in die persönliche Integrität der Forschenden ein?
All diese Entscheidungen zum Umgang mit Forschungsdaten müssen in jedem Projekt individuell getroffen und im Datenmanagementplan dokumentiert werden. Es ist sinnvoll, diese Fragen bereits zu Projektbeginn aufzuwerfen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt die meisten Fragen nicht abschliessend geklärt werden können. Deshalb fordern die Geldgeber bereits bei Projekteingabe einen ersten Entwurf des DMP, der als lebendes Dokument das Projekt begleiten und das Forschungsdatenmanagement unterstützen soll. Dieser DMP sollte nicht als unnötige Last angesehen werden, vielmehr stellt er eine Checkliste da, an der die Forschenden überprüfen können, ob sie in Bezug auf ihre Forschungsdaten an alles gedacht haben.

Wenn Sie in der Situation sind, für eine Projekteinreichung einen DMP zu verfassen, unterstützt die Universitätsbibliothek Basel Sie gerne: Im Vorfeld der Einreichungsfristen bieten wir DMP Writing Labs an. Individuelle Anfragen beantworten wir jederzeit gerne. Sie können uns auch Ihren DMP-Entwurf schicken, um von uns ein Feedback zu erhalten, oder sich für eine persönliche Beratung bei uns melden.
DMP Writing Labs für die Geisteswissenschaften finden zu folgenden Terminen in der UB Basel statt:
12. Februar 2020, 9–12 Uhr
24. Februar 2020, 16–18 Uhr
19. März 2020, 12–14 Uhr
Für weitere Informationen und Kontakt:
https://researchdata.unibas.ch/en/home/
Christina Besmer und Iris Lindenmann