Fasnachts-Zeedel sind in den Beständen des Schweizerischen Wirtschaftsarchivs nur in Ausnahmefällen überliefert – zum Beispiel diese Sammlung von 1926.
Dabei geben diese Dokumente interessante Einblicke in die Ereignisse und Entwicklungen des vorangegangenen Jahres. Auch soziale und wirtschaftliche Themen werden behandelt.
Im leschte Johr isch viel passiert
„Die Neutrale“, Fasnachtszeedel von 1926, betitel „D’Frau ohne Kopf“, Signatur: SWA Vo H I 4 BS
Vom Afang bis ans Aend,
Und vieli hän sich au blamiert,
E mänge hets sich brännt…
Historische Dokumente sprechen nicht einfach «für sich». Sie sind nur im Kontext verständlich. Das wird bei diesen Zeedeln schlagartig klar.
Zur Quellenkritik des Fasnachts-Zeedels
Quellenkritik fragt nach der Echtheit eines Dokuments, nach seinem Entstehungskontext und seinen AutorInnen, nach der Zuverlässigkeit seiner Informationen.
Die Intention des Fasnachtszeedels ist natürlich nicht reine Informationsvermittlung. Vieles steht zwischen den Zeilen. Es gibt Wortspiele und Abkürzungen. Vieles war den lokalen ZeitgenossenInnen selbstverständlich bekannt. Als Nachgeborene verstehen wir aber oft nur Bahnhof.

Mehr Fragen als Antworten
Was sagen uns die Zeedel von 1926 über das damalige Basel?
Basel wurde zur Grossstadt. Ein Symptom war die Einführung von Einbahnstrassen (sens unique).
Der Sens unique in de Strosse
„Olympia“, Fasnachtszeedel von 1926, betitelt „Der Sens unique“, Signatur: SWA Vo H I 4 BS
Syg fir si e Gnuss, e grosse,
Und fir’s Publikum biquem.
In der Mustermesse wurde eine Frau ohne Kopf präsentiert. Das Geschlechterverhältnis muss schon damals ein Thema gewesen sein.
Regierungsräte und Ständeräte waren ebenso ein Thema – welche politischen Skandälchen konkret gemeint waren, müsste aber erst recherchiert werden.
«Qualität», „Valuta“ und «Schwindel» sind Stichwörter, die an einen ökonomischen Kontext denken lassen.
So oder so: Die Zeedel von 1926 wären eine reizvolle Grundlage für ein Buch mit dem Titel «Basel 1926 – auf dem Weg zur Grossstadt».
martin.luepold@unibas.ch