Es gab eine Zeit, da war Basel ein Zentrum der Textilindustrie. Handel und Herstellung von Textilien waren spätestens ab 1700 und bis 1930 eine wichtige Stütze der Basler Wirtschaft. Die Basler Textilfirmen waren häufig in mehreren Zweigen tätig: Einkauf, Verkauf, Produktion und Bankwesen; Baumwolle und Seide; Tücher und Bänder; Tätigkeiten vor Ort in Basel und internationale Operationen.
Mit der Zeit wurde die Herstellung von Seidenband zur Spezialität der Basler Textilindustrie. Seidenbänder waren wichtige Mode-Artikel zur Verzierung von Kleidern und Hüten. Der Habitus einer Person liess sich nicht nur an den edlen Stoffen der Kleider erkennen, sondern auch daran, wieviele Meter Seidenband an diesen Gewändern angebracht waren.
Ein breites Feld
Die Erforschung der Basler Textilgeschichte ist eine Expedition in ein heterogenes Feld mit vielen Facetten. Neben viel älterer und neuerer Literatur stehen umfangreiche Archivbestände zur Verfügung. Die Digitalisierung dieser Bestände hat begonnen. Besonders von Interesse für die Digitalisierung sind Unterlagen mit hoher Informationsdichte. So gibt das sogenannte «Informationsbuch» (nomen est omen) der Firma Burckhardt-Wildt & Sohn einen Einblick in ein weitgespanntes Partnernetzwerk.
Die Basler Firma, domiziliert im Württembergerhof, notierte hier Informationen zur Kreditwürdigkeit ihrer Geschäftspartner. Ein gutes Informationsmanagement war wichtig in einer Zeit, als E-Mail, Telefon, Internetplattformen, Videokonferenzen etc. noch unbekannt waren.
Das Dokument und sein Kontext
Zentral für den Handel war die genaue Kenntnis der Preise und ihrer Bewegungen. Diese Tätigkeiten waren mit Sicherheit genauso anspruchsvoll wie mühsam. Die Zeichnung eines nachdenklichen Mannes auf der Frontseite eines Seiden-Offertenbuchs (CH SWA HS 260 Q 9) zeugt davon. Das Buch stammt von der Firma Forcart-Weis und Burckhardt-Wildt, der Nachfolgefirma von Burckhardt-Wildt & Sohn im Württembergerhof.

Dieses Buch ist noch nicht digitalisiert. Der Archivar steht bei der Auswahl von Unterlagen für die Digitalisierung vor denselben Fragen wie die Historikerinnen und Historiker: Wie ist der Informationsgehalt dieser Quelle? Welche Art von Informationen enthält das Buch, und in welcher Breite und Tiefe? Ist das Buch als Einzeldokument schon verständlich, oder braucht es zu seinem Verständnis noch andere Unterlagen aus demselben Archivbestand? Gibt es überhaupt ergänzende Unterlagen wie Briefe oder Rechnungen?
Die Zeiten werden wieder besser
Interessant ist z.B., dass das Seiden-Offertenbuch eingeklebte Dokumente wie Preislisten oder Zirkulare enthält. Die Handschrift ist gut lesbar, der Text in französischer oder deutscher Sprache. Somit liegt die Stärke dieses Buchs in der Vielfalt der enthaltenen Informationen. Ganz klar ein lohnendes Objekt für die Digitalisierung.

Das Buch stammt aus den Jahren 1840-1854. Die Zeiten waren nicht nur gut. «Ce que nous avons à vous dire est loin d’être satisfaisant. Nous pourrions le résumer par ces mots : Calme en Baisse. » So schreibt die Lyoner Firma Noyer, Frères, & Cohen am 1. August 1854 nach Basel. Damit verbunden war der Wunsch nach einem baldigen Aufschwung: «On espérait un peu que les affaires reprendraient leur courant…» Das hofft der Archivar auch und arbeitet aus dem Coronavirus-bedingten Home-Office weiter daran, lohnende Archivalien für die Digitalisierung auszuwählen.
martin.luepold@unibas.ch