Aus der Basler Bibliographie. Auffahrt steht vor der Tür! Die Sonne lockt die Menschen hinaus und trotzdem ist die Welt durch die Corona-Krise kleiner geworden. Um das Fernweh zu bekämpfen, könnte man sich die Welt in die eigenen vier Wände holen. Wie das geht? Dank der Plattform e-rara.ch sind riesige Mengen an historischen Karten online und man kann diese genüsslich auf dem Smartphone, Tablet oder Laptop ansehen. Und es lohnt sich! Gerade die UB Basel verfügt über herausragende historische Kartenwerke, darunter die Weltkarte des Gerhard Mercator oder der erste gedruckte Stadtplan von Paris!

Wenn wir über Karten sprechen…
Karten üben auf uns Menschen eine eigenartige Faszination aus. Die Gründe sind mannigfaltig. Dass Karten uns Menschen in einer immer komplexeren Welt an einem Ort platzieren und dem abstrakten Begriff «Heimat» dadurch ein Gesicht geben, ist sicher einer der Gründe. Zugleich ist über die Art, wie Karten die Umwelt repräsentieren, viel über das Verhältnis von Raum, Zeit und Mensch zu erfahren: Für den Maler von Hogenstraten (17. Jh.) war zum Beispiel eine gute Karte diejenige, welche dem Betrachter die Welt aus einer anderen Perspektive vorführt. Oscar Wilde hingegen meinte, dass eine Weltkarte, die das Land Utopia nicht verzeichne, keines Blickes würdig wäre! Eine Karte ist also nicht nur ein geographisches Werk zur Orientierung. Im Mittelalter sehen wir die verschiedenen Ansätze vielleicht am deutlichsten: Die mappae mundi sind als ein enzyklopädisches Referenzwerk zu verstehen. Sie als Karte im modernen Sinn zu lesen ist somit grundfalsch, denn sie geben nicht über Wege und Strassen Auskunft, sondern vermitteln das Wissen über die Welt und der Heilsgeschichte. Parallel zu den mappae mundi existierten aber auch im Mittelalter sogenannte Itinerar-Karten, die zwar für uns heute ebenfalls nur schwer lesbar sind, allerdings über Distanzen und Reiserouten informieren.
Basel – Zentrum der Kosmographie
Basel, weder am Meer gelegen, noch wirklicher Ausgangspunkt ganz grosser Abenteurer wie Columbus, Magellan oder Cook, wird eher selten mit der Kartographiegeschichte in Verbindung gebracht. Doch Basel spielt in der Vermessung der Welt eine bedeutende Rolle, die vorwiegend mit einem Namen in Verbindung steht: Sebastian Münster.

An verschiedenen Universitäten in den alten Sprachen ausgebildet, folgte der hochgebildete Münster 1529, inmitten reformatorischen Wirren, einem Ruf an die Universität Basel. Zum Protestantismus konvertiert heiratete er 1530 in Basel Anna Selber, die Witwe des berühmten Druckers Johannes Petri. Eine kluge Verbindung, war Münster von da an ohne irgendwelche Geldsorgen. Mit diesem finanziellen Polster verschrieb er sich seinem eigentlichen Interesse: Der Kosmographie, d.h. der Beschreibung der Welt und dem Weltall. Erst wenige Jahrzehnte zuvor landete Columbus auf den karibischen Inseln und stetig kamen neue Entdeckungen dazu. Die Welt war ein ganzes Stück grösser geworden und so ist es kein Wunder, dass Sebastian Münster auf dem Gebiet der Kosmographie forschen und publizieren wollte. Als Referenzwerk galt noch immer das Werk des Griechen Ptolemäus, das auch in Basel vorlag. Münster interessierte sich aber nicht nur für die Beschreibungen ferner Länder, sondern auch für die Vermessungsmöglichkeiten und Darstellungen der Umwelt. Vielleicht hat Münster den Vogelschauplan Augsburgs von Jörg Seld gesehen, als er sich an die Arbeit machte, von Basel einen ähnlichen Plan herzustellen. Er nahm dafür Kontakt mit dem in Basel ansässigen Künstler und Ratsherrn Conrad Schnitt auf, der Münsters Vermessungen in Holz schneiden sollte. Das vollendete Werk, dass 1538 in Basel gedruckt wurde, war die erste Regionalkarte der Schweiz in Kombination mit einer Stadtansicht!

Das Original ist leider verschollen. In der UB wird allerdings ein Nachdruck aus dem Jahre 1580 aufbewahrt; ebenfalls das letzte existierende Exemplar dieser Serie. Die Stadtansicht auf Münsters Karte verdient einen genaueren Blick. Es handelt sich um eine Kombination aus Vogelschauperspektive und Grundrissplan. Dank dieser Überschneidung sollte der Plan nicht unter perspektivischen Verzerrungen leiden. So warb denn Münster auch damit, dass es sich um die «wahre Geographie» handle.
Parallel dazu arbeitete Münster bereits in den 1530iger Jahren an seinem grössten Werk, das schliesslich 1544 in Basel bei Petri erstmals erschien: Die Cosmographia.

Ein Werk, worin die «Beschreibung aller Lender durch Sebastianum Munsterum, in welcher begriffen Aller völcker, Herrschafften, Stetten und namhafftiger flecken, herkommen: Sitten, gebreüch, ordnung, glauben, secten vnd hantierung, durch die gantze welt, vnd fürnemlich Teutscher nation. Was auch besunders in iedem landt gefunden, vnnd darin beschehen sey. Alles mit figuren vnd schönen landt taflen erklert, vnd für augen gestelt.» Selbstverständlich war Münster zur Recherche nach Deutschland und Frankreich gereist und führte zahlreiche Korrespondenzen. Dennoch war seine Welt, worin er sich bewegen konnte, verglichen zu heute, eine kleine – so ganz ohne Autos, Züge und Flugzeuge. Doch Münster wusste sich zu helfen und holte sich die Welt mit seinen Beschreibungen, Karten und Plänen in die Stube.
noah.regenass@unibas.ch