Am 17. September erklingt im grossen Lesesaal der UB Basel das von diesem Raum inspirierte Werk „Skript“. Das Konzert selbst findet im Rahmen des Festivals ZeitRäume Basel – Biennale für Neue Musik und Architektur statt. Infos zur Veranstaltung finden Sie hier. Welche Überlegungen die Komponistin Barblina Meierhans in ihr Werk „Skript“ einbezog, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag:
Es scheint mir etwas sehr Menschliches zu sein, dass wir uns in Zeichen oder Bildern ausdrücken und damit auf Oberflächen aus Papier, Stein, Pergament – oder heute auf vermeintlich flüchtigere Weise, digital – Spuren hinterlassen. Ein physischer Prozess ist es, selbst das Tippen auf der Tastatur ist eine Bewegung. Wir versuchen dabei ein gewisses Etwas in einer Abstrakten festzuhalten, in einer Schrift, in Noten, in Bildern, in einem Codex. Anderen Menschen wird anhand dieser Zeichen ermöglicht fern und unabhängig von Körper, Zeit und der Umgebung des Autors, dieses spezifische Etwas wieder zu entziffern und im besten Falle zu verstehen. Bei einer hörbaren Entzifferung, zum Beispiel einem
Konzert, wird es gar rückverwandelt in die Konkrete: das gewisse Etwas wird im Moment der Umsetzung wieder in etwas Physisches übersetzt, in Ton, Klang und Geräusch. Keine Magie. Handwerk.

Seit längerer Zeit beschäftige ich mich bereits mit Kompositions- und Interpetationsvorgängen, nicht nur in Form von Recherchen, hie und da habe ich auch versucht, eben diese Prozesse in der Musik zu thematisieren oder gar in Musik zu verwandeln. In „Skript“ geht es mir aber in erster Linie um das Material selbst. Konkrete Elemente und Handlungen wie Papier, Karton, Pergament, Bücher, das Lesen und Schreiben spielen für mich eine Rolle. Auch einzelne Worte – also die Träger des eigentlichen Inhalts, der Semantik – werden unter die Lupe genommen, gedehnt, gefaltet und klanglich ausgelotet. Die Atmosphäre und Akustik einer Bibliothek, hier der Universitätsbibliothek Basel, werden dabei in der Komposition mitgedacht: der Raum wird bespielt. Der in den Jahren 1962-68 neu konstruierte Lesesaal mit der von Otto Senn und Heinz Hossdorf gestalteten sechseckigen Form und der skulpturalen Decke, hat mich in der markanten Struktur verleitet, auf sprachlicher und theoretischer Ebene ebenfalls in jene Zeit zurückzuschauen. Die vielbesprochenen und zitierten Texte zur Hinterfragung der Autorschaft, beschäftigten mich einmal mehr. Sie sind meiner Meinung nach bestechend imposant in ihrer Klarheit und Radikalität des Gedankens. Wir schreiben heute aber das Jahr 2021. Was machen wir in Folge daraus, im Hier und Jetzt? Dieser in meinem Kopf laut dröhnenden Frage näherte ich mich in diesem Fall auf subtile, klangpoetische, teils auch kritische Art und Weise, in der Versuchung sie auf musikalischer und somit künstlerischer Ebene zu beantworten. Texte blitzen denn in der Komposition nur ansatzmässig und punktuell auf, im vermeintlichen ‚Gestus der heutigen Zeit‘: in Schlagwörtern.

„Skript“ ist ein räumliches Konzert für sechs Vokalsolisten, vier Schlagwerker und Tape, mit einem installativen Vorspiel im Treppenhaus – Musik im erweiterten Sinne.
Vokalsolist*innen: Neue Vocalsolisten Stuttgart
Schlagwerker*innen: Ensemble This | Ensemble That
Tontechnik: Amadis Brugnoni
Idee, Komposition: Barblina Meierhans
Barblina Meierhans, 12. Juli 2021
Stimmen
Wörter
Laute
Töne
Bücher
Bücherseiten
Bücherumschläge
Karton
Fett
Papier
Pergamentpapier
Butterpapier
Backpapier
Pergament
Graphit
Tinte
Tusche
Ink!
Bleistifte
Farben
Holz
Staub
Archiv
Vitrinen
Regale
Treppen
Gestelle
Treppenabsätze
Tische
Stühle
eine Uhr
Akustik
Du?
Stille
Ich
Lesen
Flüstern
Holzblöcke
sind laut
Mund
Mundräume
Münder
die Zeit
Wir…
…schreiben…