«Wohin führt eigentlich diese Treppe?» So die Frage, die immer wieder dem UB-Personal gestellt wird. Gemeint ist hierbei die Wendeltreppe, die sich direkt nach dem Betreten des grossen Lesesaals hinunter in die Tiefe schlängelt und mit einer Kordel abgesperrt ist.

Doch bevor wir das Rätsel auflösen:Treppen und Bibliotheken haben seit anhin eine besondere Liaison: Bereits die berühmte Bibliotheca Laurenziana, von Michelangelo persönlich entworfen, besticht mit ihrer monumentalen Treppe im Vorhof, die hinein in den berühmten Lesesaal führt.

Treppen in Bibliotheken verbinden Etagen in den Magazinen und führen hinein in die verschiedensten Sammlungen. In der berühmten Stiftsbibliothek in Sankt Gallen ist es eine Wendeltreppe, die auf die Galerie führt, wovon man einen herrlichen Blick auf den barocken Bibliothekssaal erhält. Auch moderne Bibliotheken nutzen die Treppe als Stilelement, die selbst mit Büchern bestückt werden können. Spektakulär ist auch die Treppe im UB-Kopfbau, die leider viel zu selten beachtet wird. Und dann gab es offenbar in der UB noch eine weitere Wendeltreppe, die einem Umbau zum Opfer fiel. Ungefähr dort wo heute die Leseecke für die Zeitungen steht, führte eine weitere Wendeltreppe von der damaligen Ausleihe ins Zeitschriftenmagazin hinunter. Die existiert heute nur noch im Gedächtnis der Mitarbeiter*innen.
Und die Treppe im UB Lesesaal? Diese führt leider nicht in einen geheimnisvollen Raum mit verbotenen Büchern oder gar etwa in die labyrinthischen Katakomben voller vergessener Bibliotheken[1], aber doch auch in einen attraktiven Raum, der zu entdecken sich lohnt, das Zeitschriftenmagazin. Verschiedene Lern- und Arbeitsformen werden dort kombiniert mit Rollregalen voller Zeitschriftenbände.

Architekt Otto H. Senn BSA/SIA, Basel, in: Das Werk : Architektur und Kunst, Bd. 55 (1968), S. 713-721.
Die Treppe war bei der Eröffnung des UB Neubaus im Jahre 1968 direkt eingebaut worden und stand den Nutzer*innen offen – wie auf dem Plan zu sehen ist. Allerdings nur mit der Bewilligung der Aufsicht, die mit Argusaugen über die Nutzer*innen an der damaligen Lesesaaltheke (heute Basiliensia-Leseecke) wachte. Die Zugänglichkeit des Zeitschriftenmagazins war besonders, denn anders als heute für selbstverständlich gehalten, war bis 1995 das Freihandmagazin für Nutzer*innen geschlossen.

Wieso stand das Zeitschriftenmagazin im Gegensatz zum Büchermagazin für Nutzer*innen offen? Nun, einerseits war es von Vorteil, dass jede*r selbst die Wendeltreppe hintergehen konnte, um vor Ort in den Zeitschriftenbänden zu stöbern. Andrerseits befindet sich heute noch direkt hinter der Wendeltreppe der Zeitschriftenlesesaal. Eine nützliche Verbindung des Architekten Otto Senn: Aktuelle Zeitschriften lagen im Zeitschriftenlesesaal auf, die älteren Jahrgänge konnte man im Magazin darunter konsultieren. Als Diebstahlsicherung agierte pflichtbewusst das genannte Aufsichtspersonal. Und wie wir aus dem Gedächtnis von langjährigen Mitarbeiterinnen erfahren konnten, befanden sich damals auch noch die Zeitungsbände der Basler Zeitung und der NZZ in dem einzigen für Nutzer*innen zugänglichen Magazin, neben weiteren aktuellen Tageszeitungen und dem Basler Literarischen Archiv. Besonders ein Nutzer blieb in Erinnerung: Über Jahre hinweg stieg er jeden Abend die Wendeltreppe hinab um in den alten Zeitungsbänden zu blättern. Ob er an etwas forschte oder zum Vergnügen alte Zeitungen durchlas, lässt sich nach über 30 Jahren nicht mehr eruieren.

1995 wurde dann das geschlossene Magazin für das Publikum geöffnet und wurde zum Freihandmagazin. Die Verbindungstür zwischen Zeitschriftenmagazin und Freihandmagazin stand von da an ebenfalls offen – dafür sperrte man die Wendeltreppe, da alle Bücher nun über die Ausleihtheke abgebucht wurden. Die Wendeltreppe hätte sich für Bücherdiebe hervorragend geeignet…
Offenbar existierte gar die Idee, die Wendeltreppe abzudecken oder zuzuschütten, weil immer wieder Nutzer*innen die Treppe nach unten stiegen und vor der verschlossenen Tür standen. Heute sind wir froh, dass die Kordel am Treppenabgang das Problem lösen konnte und die Wendeltreppe so erhalten blieb, wie sie in den 60er Jahren erstellt wurde.

Mit der UB-Teilsanierung 2021 baute man im Zeitschriftenmagazin nicht nur Lern- und Arbeitsplätze ein, sondern rüstete die Bücher mit RFID aus, um diese vor Langfingern zu sichern. Und da nun im Juni 2022 die Bestände im vorderen Teil des Zeitschriftenmagazins fertig bearbeitet und freigeben wurden, ist die Kordel entfernt und die Türe geöffnet worden. Nutzer*innen sind also herzlich eingeladen, die Wendeltreppe hinunterzusteigen, um dort in den Zeitschriften zu blättern oder an den Arbeitsplätzen seine Seminararbeit o.ä. zu verfassen. So funktioniert dank neuer Technik die alte Nutzung der Räume und Treppen wieder so, wie dies anno 1968 vorgesehen war – auch wenn die Treppe dadurch ein bisschen von ihrer Magie verliert.
Simone Gloor und Noah Regenass
[1] Siehe auch Moers Walter: Die Stadt der träumenden Bücher, 2004, Signatur UB: UBH Ao I 4033