Ein Buch verändert die Welt. Die 42-zeilige Gutenbergbibel
Um 1450 «erfand» Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, den Buchdruck in Mainz – oder besser gesagt: Er vereinte verschiedene Ideen und Handwerksvorgänge zu einem Arbeitsprozess, um das erste gedruckte Buch, die Gutenbergbibel, herzustellen. Die vielleicht cleverste Innovation aus der Druckerei Gutenbergs war, jeden Buchstaben des lateinischen Alphabets als einzelne bewegliche Metallletter in einem Handgiessinstrument herzustellen, um den Text einem Puzzle gleich mit diesen zusammenzusetzen. Das Resultat seiner Arbeit war die 42-zeilige Gutenbergbibel, ein Meilenstein der Geschichte.

Das erste Mal war ein Buch nicht mehr ein unikales handgeschriebenes Objekt, sondern erschien in einer Auflage von rund 100-200 Exemplaren. Wissen erreichte damit ein immer grösseres Publikum, Neuigkeiten verbreiteten sich über Flugschriften in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit über den Kontinent. Der Druckvorgang war äusserst komplex und sehr kostspielig, der Beruf des Druckereibesitzers mit einem hohen finanziellen Risiko belastet. Besonders die Rohstoffe, die man im Voraus für den Druck anschaffen musste, kosteten eine schöne Stange Geld. Abgesehen von den Druckpressen und den Setzkästen war insbesondere das Papier und das Metall für die Lettern eine teure Anschaffung. Ein weiterer Kostenfaktor waren die «Angestellten» einer Druckerei. Neben den Druckergesellen brauchte u.a. es einen Setzer (der Lettern), einen Korrektor, einen Typenschneider usw. In Anbetracht dieser Fixkosten, die allesamt vor dem ersten verkauften Buch zu entrichten waren, überrascht es nicht, dass bereits ein einziger Ladenhüter den Drucker meistens in finanzielle Schwierigkeiten brachte…
Was sind Inkunabeln?
Die ersten 50 Jahre des Buchdrucks nennt man in der Fachsprache Inkunabelzeit, also jene Bücher, die zwischen 1450 und 1501 gedruckt worden sind. Der lateinische Terminus «incunabula» bedeutet so viel wie Wiege, Windel und beschreibt somit Bücher aus der Anfangszeit des Buchdrucks. So kann es nicht überraschen, dass man hierzulande von Wiegendrucken spricht.

Diese 50 Jahre sind eine spannende Zeit, denn man experimentierte mit dem neuen Medium «Buchdruck». Bei diesen Versuchen entsteht u.a. das erste Impressum in einem Buch, das sog. Kolophon. Dieses enthielt den Namen des Druckers, den Druckort und das Datum, zum Teil auch Hinweise über den oder die Autoren, den Übersetzer, die Korrektoren und Mitarbeiter sowie die Illustratoren. Ein bisschen Eigenwerbung durfte dabei nicht fehlen, und so fügte man auch gerne ein Lob der Druckstadt hinzu. Doch damit nicht genug: Schnell fanden Bilder, also Holzschnitte, Eingang in den Buchdruck. Dies war alles andere als Trivial, denn man musste die Holzschnitte zum Teil vorab auf den Bogen drucken, um dann den Text in einem zweiten Schritt hinzuzufügen. Waren Bild und Text klar separiert, wie beim Narrenschiff des Sebastian Brant, war dies noch kein Hexenwerk. Bei einer beschrifteten Landkarte hingegen war dies schon eine äusserst schwierige Herausforderung. Doch gerade in der Inkunabelzeit entwickelten sich Atlanten zu äusserst begehrten Objekten!
Gedruckte Atlanten
Das Interesse an gedruckten Kartenwerken im 15. Jahrhundert lässt sich mit den grossen Expeditionen erklären. Die Entdeckung Amerikas und die Umsegelung Afrikas bilden dabei die Höhepunkte. Geografische Kenntnisse stammten in jenen Tagen noch vorwiegend aus antiken Klassikern, darunter die Beschreibungen der Welt durch Pomponius Mela und allem voran die Cosmographia des Claudius Ptolemaeus.

Klarheit und Präzision in der Beschreibung der Welt durch Ptolemaeus beeindrucken noch heute (erhalten hat sich leider keine dazugehörende Karte aus der Antike). Somit war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Buchdrucker das Wagnis auf sich nehmen würde, um dieses Werk mit entsprechenden Karten zu drucken. Dieser Jemand war Lienhard Holl, der 1482 sich diesem Werk annahm und es mit Holzschnitten der Erdteile versah. Ein in der Tat kühnes und vor allem kostspieliges Unterfangen. Da es noch kein Copyright gab, bediente sich Holl an einer bereits 1477 in Italien erschienen Ausgabe der Cosomographia, die bereits mit in Kupfer gestochenen Karten versehen war. Doch Holl wollte mehr: Er liess für seine Ausgabe die Karten nicht in Kupfer stechen, sondern in Holz scheiden und fügte dem Werk noch fünf aktuelle Karten hinzu. An der Kartenherstellung beteiligt war der in Italien berühmte Astronom und Kosmograph Nikolaus Germanus, der für die vatikanische Bibliothek Karten und Globen herstellte. Dank Handelsbeziehungen importierte Holl des Weiteren teures und besonders widerstandsfähiges Papier aus Mailand. Schliesslich sollte sein Buch ein genutztes Nachschlagewerk werden. Am 16. Juli 1482 war es soweit: Der erste Weltatlas ausserhalb Italiens verliess die Druckerpressen – ein Atlas von unerreichter Qualität. Doch wie so oft bei Drucken verkaufte sich die Cosmographia nicht wie erwartet. Die hohen Investitionen führten zum Konkurs der Holl’schen Druckerei in Ulm, seine Typen und die Werkstatt kaufte der Venezianer Justus de Albano. Dieser brachte das Werk 1486 prompt in einer etwas günstigeren Neuauflage auf den Büchermarkt.

Provenienzforschung
In den Magazinen der UB befindet sich eine Ulmer Erstausgabe der Cosmographia aus der Offizin des Lienhard Holl von 1482, versehen mit der Signatur UBH Inc 358. Man muss kein Buchhistoriker und Inkunabelkenner sein, um beim Blättern im Atlas sofort die hervorragende Papierqualität zu erkennen. Auch nach über 500 Jahren ist das Papier elastisch und an keiner Stelle brüchig geworden. Die Farben leuchten, als ob man das Buch erst gestern gedruckt und die Karten anschliessend bemalt hätte. Doch wie kam der Atlas in den Besitz der UB Basel? Ein kleiner Vermerk am unteren Blattrand bei Frontispiz kann Licht ins Dunkel bringen. Es steht «Amerbachiorum».

Dank einem Schriftbildvergleich kann man annehmen, dass es sich hierbei wohl um die Handschrift von Bonifacius Amerbach handelt. Bonifacius war Spross des berühmten Basler Buchdruckers Johannes Amerbach, der nicht nur mit den Intellektuellen seiner Zeit korrespondierte, sondern wie sein Sohn später als veritabler Sammler von Büchern und Kunstwerken auf Reisen ging. Zugleich unterhielt Johannes Amerbach wirtschaftliche Beziehungen zu Buchdruckern in Deutschland, Frankreich und Italien. Gut vorstellbar, dass sich ein Büchersammler mit dem entsprechenden Portemonnaie, wie dies Johannes Amerbach war, einen solchen Prachtdruck nicht entgehen liess. So wäre eine Hypothese, dass der Atlas Bonifacius von seinem Vater geerbt hatte und diesen mit seinen Randnotizen und seinem Namen auf dem Fontispiz versah. Oder aber der Sohnemann selbst kaufte sich auf seinen Reisen das wundervolle Buch aus der Holl’schen Druckerei. Als die Stadt Basel den Nachlass der Familie Amerbach kaufte, ging der Atlas in den Besitz der UB Basel über. Heute kann man die Cosmographia von Ptolemaeus aus der Offizin des Lienhart Holl als Digitalisat dowloaden.